Ein Wiedersehen in Krefeld

Ein halbes Jahrzehnt musste die Krefelder Niederrheinhalle auf eine Schau warten. Im Jahr 2019 fand die letzte Färsenschau hier statt. Angela Merkel war noch Bundeskanzlerin und Corona kannten wir bestenfalls als Biermarke. Dass es die letzte Schau im Format einer reinen Färsenkonkurrenz sein sollte, war recht schnell nach dieser Schau klar. Ein neues, moderneres Konzept sollte her. Der Fokus sollte nun mehr auf ältere Kühe gelegt werden: ein Drittel des Schaukontigents hatte 50.000 kg Lebensleistung und mehr. Außerdem sollte diese Schau eine „Schau für Jedermann“ sein. Auf extreme Vorbereitungen im Vorfeld sollte verzichtet werden. Die beste Kuh soll gewinnen, nicht die beste Vorbereitung, so der Tenor. Die RUWregional+-Schau war geboren. Leider machte Corona 2020 einen Strich durch die Rechnung. 2022 dann ein neuer Anlauf. Fließem sollte nun erster Austragungsort der neuen RUWregional+-Schau werden. Nun war es die Blauzungenkrankheit, die eine Schau auf RUW-Ebene unmöglich machte. Der Frust war groß. Der wurde noch größer, als auch die RUW-Schau in Hamm im letzten Jahr kurzfristig wegen Blauzunge abgesagt werden musste. Jetzt war es also endlich soweit. Die erste „neue“ Schau im „Jedermann-Format“.

„Weniger ist mehr“ oder „Leichtigkeit zur Teilnahme“, solche oder ähnliche Mottos wurden im Vorfeld der Schau und Anmeldung gerne genutzt, um den Plan der Schau zu verdeutlichen. Teil dieses Planes war es zum Beispiel, dass auf das „Herrichten einer Oberlinie“ und das „Einölen“ der Euter verzichtet werden sollte. Die Kühe sollten also möglichst natürlich präsentiert werden. Eines vorweg: Der Qualität der Kühe im Ring und vor allem deren Beurteilung tat das keinen Abbruch – im Gegenteil. Wenn Klaus-Dieter Augustin, der das Amt des Preisrichters übernommen hatte, von einer starken Oberlinie sprach, lag das einzig und allein an der Qualität der Kuh und nicht an der Fertigkeit des Fitters.  Aber der Reihe nach.

Umbau in Krefeld


Zwar wird in Krefeld schon eine Weile lose vermarktet, jedoch war dies die erste Schauveranstaltung nach dem Umbau. In seiner Eröffnungsrede erinnerte der Vorstandsvorsitzende Heinrich Buxtrup an die Zeit vor und nach dem Umbau. Vor allem dankte er dem „Vater der losen Vermarkung in Norddeutschland“, dem ehemaligen Regionalleiter Dr. Werner Ziegler. Er war es, der die Idee der losen Auktionsvermarktung geplant und in die Tat ungesetzt hatte. Spontan wurde Herr Dr. Ziegler von Heinrich Buxtrup in den Ring berufen. Der Applaus war ihm sicher. Heute erfreut sich der Auktionsstandort Krefeld größter Beliebtheit. 

Jerseys geben den Startschuss


Eine nahezu unmögliche Aufgabe war gleich zu Anfang der Schau zu verrichten. Wie soll man Kühe mit sechs bzw. sieben (!) Abkalbungen mit jungen Färsen vergleichen? Eigentlich unmöglich, aber der erfahrende Preisrichter griff gekonnt in die Trickkiste. Die beiden älteren, bereits erwähnten Damen platzierte er etwas abseits von den aufgestellten Jungkühen, womit ihre Sonderstellung eindeutig war. Aber wie hat er denn nun die anderen Kühe aufgestellt, fragen sich viele Zuschauer? Von rechts nach links oder doch umgekehrt? Hier wurde diese enorme Qualität dieser Klasse am besten deutlich. Problemlos hätten all diese Kühe auf der Bundesschau in Alsfeld antreten können. Zur Siegerin dieser Rasse macht Augustin die 6-kalbige Oliver-P-Tochter Olivia von Iris Böhl aus dem Siegerland. Mit einem fantastischen Euter verwies sie die harmonische Camilla von Spanier, Kaufmann und Wiethege auf den Reservesiegerplatz. Hätte es eine Honorable Mention gegeben, so wäre es wohl WIT Bellini geworden. Eine Färse mit viel Schaupotential.

Färsenklassen


Gleich in der ersten Färsenklasse zeigte Klaus-Dieter Augustin, worauf es ihm ankommt. Korrektheit und Funktionalität in jedem System. Es sind vor allem diese beiden Attribute, mit der die 1a-Färse WAC Levanda zu beschreiben ist. „Eine absolute Zukunftskuh“, so der erfahrene Preisrichter. Ein fantastisches Euter, gepaart mit einer tollen Entwicklung ließ die GLOBAL-Olba auf einen verdienten 1b-Platz laufen. Sie reiste aus der Nachbarschaft an, denn Züchter dieser großartigen Färse ist Familie Hannen aus Tönisvorst. Ebenfalls sehr eng ging es in der nächsten Klasse zu. Die sehr großrahmige WIT Bubblegum von Dirk vom Stein sicherte sich mit viel Harmonie und einem ausbalancierten Euter die beste Platzierung. Mit einer perfekten Beckenlage, gepaart mit einer tollen Bewegung landete die Achilles-Tochter Edda von Hannah Klein, Wipperfürth, auf dem 1b-Platz.

Bei den rotbunten Färsen ging nur eine Klasse in die Konkurrenz. Hier ist es mit KOE Brandy von der Köster KG, Steinfurt, die etwas kapitalere Färse, die die Gunst der Stunde für sich nutzen konnte. Es war wohl auch ihr extremes Drüseneuter, was sie vor der sehr feinen und jugendlichen Luisa laufen ließ. Diese Erotic Red-Tochter wurde von Familie Achten aus Kempen vorgestellt. Bei der anschließenden Kür der Siegerfärse kamen die 1a- und 1b-Kühe beider Farbrichtungen gemeinsam in den Ring. Hier sind es die Siegerkühe aus der wohl stärksten Färsenklassen des Tages, die sich Sieger- und Reservesiegerfärse nennen dürfen. Die Doctor-Tochter WAC Levanda, deren Mutter von der RUW als Embryo aus den USA importiert wurde und die auf die berühmte Comestar Laurie Sheik zurückgeht, von Elisabeth und Hermann Wacker, Steinfurt, vor GLOBAL Olga von Hannen. Ein Duo mit einer rosigen Zukunft.

Starke mittlere Kuhklassen


Einen „easy Winner“ nennt man Kühe, die ihre Klasse so dominieren, wie es Raclette von Thomas Kreutz aus Wilsecker getan hat. „Sie hat einfach alles, was man sich wünscht“, zeigte sich Klaus-Dieter Augustin beeindruckt. Eine Kuh etwas anderer Bauart wusste aber genauso zu beeindrucken. Die Rede ist von THI Chianina. Sie ist eine erfolgreiche Bullenmutter. Mit dem Forman-Sohn Farrell und dem Migel-Sohn Myline sind bereits zwei Bullen bei der RinderAllianz bzw. bei RBW im Einsatz. In der nächsten Klasse konnte Thomas Hannen schon seinen zweiten Erfolg feiern. Mit der sehr kapitalen Ella holte er sich den Klassensieg. „Eine Kuh, die jeder in seinem Stall haben möchte“, so kommentierte Augustin diese tolle RAFTING-Tochter. Ein erstes Ausrufezeichen setzte die Zuchtstätte Ewig mit der harmonischen County-Tochter Emmi. Es sollte nicht der letzte Erfolg bleiben.

Sehr knapp ging es bei den mittleren rotbunten Kühen zu. Qualitäten, die locker an die ihrer schwarzbunten Kolleginnen heranreichten und darüber hinausgingen. Eines der besten Euter der Schau hatte die sehr harmonische Ronald-Tochter Mascha von Hugo Berners aus Simmerath. Sie siegte vor LAN Corinna von Thomas Langenberg aus Bocholt. Ein atemberaubendes Hintereuter sorgte für eine 1b-Platzierung. In der zweiten, ebenfalls sehr starken Klasse, gingen beide Siegertitel nach Westfalen. Eine in Hamm auf der Auktion ersteigerte Kuh wusste am meisten zu gefallen. Die Rede ist von aha Georgia, vorgestellt von der Grunewald-Olbing GbR aus Raesfeld. Eine enorm komplette Kuh aus der Roxy-Kuhfamilie mit einer fantastischen Leistung. Es muss dem Preisrichter sehr schwer gefallen sein, mit WIT Alina eine Kuh solchen Kalibers nicht auf den ersten Platz zu stellen. „Eine Wahnsinnskuh“, so Augustin. Auch diese Kuh von Thomas Wiethege besticht nicht nur im Aussehen, sondern scheint ihre enorme Milchleistung mühelos zu ermelken. Welch ein großartiges Duo.

Ein sehr beeindruckendes Bild bot die Siegerauswahl der mittleren Kuhklassen. Wer dem Preisrichter beim Kommentieren gut zugehört hatte, konnte erahnen, welche Kühe er favorisieren würde. Es wurde ein schwarz-rotes Duo. Zum einen der „Easy-Winner“ aus der ersten Schwarzbuntklasse und die Kuh mit dem „fantastischem Euter“ aus der ersten rotbunten Klasse. Herzlichen Glückwusch an Thomas Kreutz und Hugo Berners mit Raclette und Mascha, zwei würdige Siegerinnen.

Viele alte Bekannte


Wie erwähnt, sollte bei der Anmeldung und Auswahl der Kühe ein Hauptaugenmerk auf die alten Kühe gelegt werden. Und das ist den Beschickern und der Auswahlkommission gelungen! Kühe, die vor Energie nur so strotzten, sodass sie kaum zu bändigen waren. Drei Kühe hatten bereits die Grenze von 100.000 kg überschritten. 

In der ersten Klasse der alten schwarzbunten Kühe betrat eine alte Bekannte den Ring. Wobei „alt“ hier nicht bildlich zu nehmen ist. Wir sprechen von La Tifah, eine der Siegerkühe der letzten RUW-Schau. Wer diese Kuh kennt, stellte fest: Die hat sich kaum verändert. Allzu logisch, dass sie fast im Vorbeigehen siegte. Aber eine Kuh kam ihr gefährlich nah. Die Sixpack-Tochter Marie der zuchtbegeisterten Familie Robert aus Vreden. Im Laufe des Abends wurde diese weiße Kuh besser und besser. Vor allem im Wahnsinnseuter. Aus der Kategorie Laufstall mit Schauappeal kommen die Siegerinnen der zweiten Klasse. In einem „Kopf an Kopf“-Rennen setzte sich COL Ophelia von der Lüpschen GbR, Lohmar, vor die Mogul-Tochter Palme von Dirk Feldhaus aus Herten. Eine wahrlich knappe Entscheidung. Hier fiel die Wahl auf etwas mehr Kraft vor Jugendlichkeit. Die Klassen der ältesten Kühe nennt man auch Königsklassen. Und das absolut zu Recht. Hier treffen verdiente Schaudiven aufeinander. Zwei wahre Giganten des Schaurings lieferten sich einen Zweikampf um den Klassensieg. Ein wichtiger Sieg, denn der Gewinner aus diesem Duell würde bei der Entscheidung um den Grand Champion ein gewaltiges Wörtchen mitreden. Die beiden Kühe, um die es geht? Alte Bekannte. Zum einen mit WIT Tamina eine wahre Urgewalt. Mehr Kraft kann eine Kuh wohl nicht vereinen. Und dazu ein Euter, wie man es nicht fester aufhängen kann. Eine klare Siegerkuh alt, oder? Wäre da nicht diese seidig-schwarze Schaudiva mit so viel Stil, Eleganz und Präsenz. Die Kenner im Publikum wussten sofort, wer da den Ring betreten hatte. Keine geringere als Lara. Die Impression-Tochter von Familie Köster. Preisrichter Augustin schien hin und her gerissen. Immer wieder Argumente, für die eine oder andere sammeln und abwägen. Es war wohl nur der Hauch einer Kleinigkeit, der für Lara gestimmt hat.   

Alte Bekannte die Zweite

Als fast absurd muss man wohl das Ergebnis der letzten alten rotbunten Klasse bezeichnen. Aber dazu kommen wir gleich. Gleich zwei rotbunte sogenannte LL-Klassen betraten den Ring. Die erste Klasse wurde zum Triumphzug von Familie Wiewer aus Drensteinfurt. Denn mit MR Miley und WR Melina kommen nicht nur beide Kühe von Wiewer, sondern stammen auch beide von der gleichen Stammkuh ab: Morelle. Wohl kaum eine andere Kuh im Gebiet der RUW und vielleicht sogar darüber hinaus, hat die Schauen der letzten Jahre so geprägt wie sie. Mit ihrer Kraft, Korrektheit und Ringpräsenz erinnerten beide Kühe gleichermaßen an diese Ausnahmekühe aus dem Hause Wiewer.

Und nun zur letzten Einzelentscheidung des Tages. Gleich zwei Kühe der ältesten Rotbuntklasse erreichten bereits über 100.000 kg LL. Das Richtergebnis dieser Klasse unterstreicht vor allem die enorme Qualität dieser Kühe. Denn die „letzte“ Kuh, die Effort-Tochter Fanta, hätte genauso gut an erster Stelle laufen können. Augustin bezeichnete sie als „Augenweide“. Absurd! Aber auch diese Klasse bekam ihre Siegerin. Und auch das nicht unverdient. Die Kuh wusste nicht wohin mit ihrer Energie. Nur eine Energieleistung des Vorführers konnte sie bändigen, was mit dem 1a-Titel belohnt wurde. Die Rede ist von Sungirl, einer Sunny Red-Tochter von Familie Ewig aus Stollberg. Schon auf der letzten Bundesschau in Alsfeld wusste sie zu überzeugen. Thomas Langenberg konnte sich mit seiner 100.000 l-Kuh LAN Morena über den 1b-Platz freuen. Die SALVE-Tochter präsentierte sich unglaublich frisch und jugendlich.

Die Kür der alten Siegerkühe ist oftmals ein vorweggenommenes Finale. Denn hier treffen die beeindruckendsten Kühe aufeinander. Es schien Klaus-Dieter Augustin recht einfach gefallen zu sein, seine beiden Sieger zu benennen. Siegerkuh alt wurde Lara von Köster. Der Reservesieg ging an Sungirl von Ewig.

Nachzuchten


In diesem Jahr wurden die Nachzuchten zweier Hornlosbullen präsentiert. Mit WG STAR P RDC ein Bullenvater aus der Kuhfamilie von Wesswood-HC Rudy Missy EX-92, der die Hornloszucht nachhaltig beeinflussen wird. Und das sowohl bei Schwarz- und Rotbunt, denn STAR P ist Rotfaktorträger. Seine Töchter konnten mit besten Fundamenten und sehr festen, robotertauglichen Eutern überzeugen. Außerdem wird die enorme Leistungsbereitschaft seiner Töchter sehr gelobt. Auch hier setzte Familie Köster ihren Siegeszug fort. Denn ihre KOE Quilla wurde zur Siegerkuh der STAR P-Nachzucht gekürt. Im Phönix-Zuchtprogramm hat aktuell kein anderer Bulle mehr Töchter, aus denen Söhne in der Aufzucht sind als STAR P im Rennen.

Die zweite Nachzucht stellte der beliebte rotbunte Bulle MONEY-P aus der Kuhfamilie von Kamps-Hollow Altitude RDC EX-95. Wie der Name schon sagt, ein Bulle, der wirtschaftliche Produktionskühe hinterlässt. Auffällig sind auch hier die hervorragenden Fundamente und die sehr festen, drüsigen Euter. Eine gewisse Spätreife unterstreicht auch bei MONEY-P seine sehr moderne Vererbung. Eine sehr gute Fruchtbarkeit und die positiven Inhaltstoffe runden sein Profil hervorragend ab. Zur besten Kuh dieser Nachzucht machte Augustin Lydia aus der Zuchtstätte Norbert Bläker aus Borken.

Der letzte Akt


Zur Wahl des Grand Champions betreten noch einmal alle Siegerkühe des Abends den Ring. Und die Geschichte ist schnell erzählt. Nach 2019 gewinnt die 6-kalbige Lara erneut eine RUW-Schau. Diese Ehre, zweimal einen GC-Titel zu erringen, wird nicht sehr vielen Schaukühen zu Teil – das ist sicherlich etwas ganz besonderes - sehr zur Freude des Teams Köster.

Fotograf: Heinrich Schulte 

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