RUW Report 95

Reportage RUW REPORT 26 | Nr. 95 1/2019 Genomische Selektion in der Praxis „Mit Hilfe der genomischen Selektion suchen wir eigentlich nicht die guten Tiere, sondern die schlechten, um diese zu merzen.“ Stefan Hakenfort bewirtschaftet gemein- sam mit seiner Frau Birgit sowie einer fes- ten und einer 450 Euro Arbeitskraft einen Milchviehbetrieb im westlichen Münster- land. Im Jahr 2000 wurde ein Boxenlaufstall für 80 Kühe gebaut, der 2008 erweitert wurde und durch zusätzliche Baumaßnah- men heute Platz für 140 Milchkühe bietet. Aktuell sind über 90 Prozent der Herde rot- bunt, doch ein Blick in den Kälberstall ver- rät, dass der Schwarzbuntanteil steigt. In der Vergangenheit hat die Familie Ha- kenfort alle weiblichen Kälber bis zur Trächtigkeit großgezogen und überschüs- sige Färsen als Export- oder frischmelken- de Rinder ab Stall verkauft. Hierbei fand die Selektion ausschließlich nach Abstam- mung, Phänotyp und Einsatzleistung statt. Die Frage, welche Tiere den Betrieb verlas- sen sollen, war oft ein Stochern im Nebel. Im Herbst 2016, als das Projekt KuhVision an den Start ging, war der RUW-Zuchtbe- rater Christoph Niehues-Pröbsting auf der Suche nach Rotbuntbetrieben mit einer gu- ten Dokumentation der Besamungsdaten und einem hohen Einsatz an RUW-Bullen. Die Entscheidung, dass mit der Herdenty- pisierung begonnen werden soll, war somit schnell getroffen. Das Projekt KuhVision be- inhaltet neben der Herdentypisierung auch das Bullenanpaarungsprogramm (BAP) und die Erfassung von Gesundheitsdaten, die in das Herdenmanagement einfließen. KLAR DEFINIERTES ZUCHTZIEL „Unser Zuchtziel ist eine homogene Her- de, mit gesunden, fruchtbaren, langle- bigen, leistungsstarken Laufstallkühen“, so Stefan Hakenfort der bei der Selektion der Jungtiere darauf achtet, dass die Leis- tungsvererbung, mind. +500 kg Milch bei möglichst positiver Inhaltsstoffvererbung, stimmt. Weitere Kriterien sind ein RZG von mind. 115, ein RZN von mind.110 und ein Zuchtwertprofil ohne große Macken. Letzt- endlich ist auch ausschlaggebend, ob die Zielvorgabe von 35 weilblichen Nachzucht- tieren pro Jahr schon erreicht ist. Tiere, die nicht dem betriebsindividuellen Zuchtziel entsprechen, wurden bislang über die Kälberauktion in Münster vermarktet. Da jetzt die Typisierungsergebnisse jeden Dienstag kommen, ist auch die Vermark- tung als sogenannte Montagskälber mög- lich. Die Beschickung der Kälberauktion mit Fleischrassekreuzungen bleibt Standard. Wichtig für die Erreichung des gesetzten Zuchtziels ist die richtige Einstellung des Betriebsindex im Anpaarungsprogramm BAP. „Hier haben wir, entsprechend unse- rem Zuchtziel, eine Kombination aus Leis- tung, Nutzungsdauer und Fruchtbarkeit gewählt. Mit der Hilfe von BAP können wir nach Bullen suchen, um Kühe in ihren schwächsten Merkmalen an den Herden- durchschnitt zu bringen. Die gefundenen Bullen werden nach unserem individuellen Betriebsindex rangiert“, erklärt Stefan Ha- kenfort. SELEKTION UND ANPAARUNG In den letzten fünf Jahren lag die durch- schnittliche Remontierungsrate im Betrieb Hakenfort bei 20 Prozent. Unter Einberech- nung eines Sicherheitszuschlags zieht die Familie Hakenfort jedes Jahr 35 weibliche Tiere auf. Das Instrument der genomischen Selektion ist nur dann sinnvoll, wenn auch tatsächlich selektiert werden kann. Dies be- deutet, dass ein entsprechend großer Pool an Tieren benötigt wird, um die für das Zuchtziel am besten geeigneten auszuwäh- len. Daher begrenzen sich die Besamungen mit Fleischrassebullen nur auf Kühe, von denen keine Nachzucht gewünscht wird oder bei schlechter Fruchtbarkeit. „Milch- viehbetriebe, die ihre komplette Nachzucht zur Remontierung gebrauchen, können sich die Kosten für die Herdentypisierung von 29,90 € je Tier sparen“, erklärt der Betriebsleiter die Voraussetzungen für die genomische Selektion. Stefan und Birgit Hakenfort mit den vier Kindern Daniel, Felix, Julia und Alexander. Anfang November genießen die Kühe der Familie noch die Mittagsonne auf der Weide. Links im Bild ist das Fahrsilo mit dem Kuhstall zu sehen.

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