RUW Report 94

Zucht RUW REPORT 32 | Nr. 94 9/2018 Das Linearprofil richtig interpretiert Wohl kaum ein Zuchtwert wird mehr diskutiert wie der des Exterieurs. Allein die verhältnismäßig gro- ße Darstellung des Linearprofils der Vererber im Bullenkatalog zeigt, welche Wertigkeit dem Exterieur entgegengebracht wird. Deshalb soll an dieser Stelle einmal erläutert werden, wie das Linearprofil mit den einzelnen Zuchtwerten für die Praxis zu interpretieren ist. Aktuell werden in der deutschen Holstein- zucht 18 Exterieur-Linearmerkmale ausge- wiesen und über Linearbalken dargestellt. In der Vergangenheit betraf dies im Prinzip ausschließlich Besamungsbullen mit einem Töchterzuchtwert. Seitdem es genomi- sche Zuchtwerte gibt, werden aber auch für Jungbullen Linearprofile ausgewiesen. Sogar weibliche Tiere mit genomischen Werten werden mit diesen Informationen ausgestattet. Da sich immer mehr RUW-Betriebe für eine genomische Typisierung ihrer Herde (HerdScan) entschließen, führen bestimm- te lineare Schwächen, wie Strichplatzie- rung/-länge oder Bewegung nicht selten dazu, dass Tiere ausselektiert oder nicht zur weiteren Zucht genutzt werden. Eine Fehlinterpretation könnte hier fatale Folgen haben. LINEARMERKMALE = OPTIMALMERKMALE Grundsätzlich handelt es sich bei den Line- armerkmalen um sogenannte Optimalmerk- male. Das bedeutet, dass extreme Ausprä- gungen des einzelnen Merkmals vermieden werden sollten. Das züchterische Optimum liegt sehr häufig im Populationsmittel, sprich bei einem Zuchtwert von 100. Bei der Nachzuchtbeschreibung werden die Merk- male in einer Skala von 1-9 beschrieben. Die Note 5 bildet hierbei den Mittelwert und die Noten 1 und 9 das jeweilige Extrem. Je nach Merkmal befindet sich auch das Populati- onsmittel in etwa bei der Note 5. Die Größe (Kreuzhöhe) ist das einzige Merkmal, wel- ches in cm angegeben wird. Nehmen wir einmal das Beispiel Becken- neigung. Wie bei allen relativen Zuchtwer- ten liegt der Mittelwert der Population bei 100. Übertragen auf der Linearsystem (1–9) befindet sich der Mittelwert aller beschrie- benen Färsen aktuell bei einem Wert von 4,87. Würden die Töchter eines bestimm- ten Bullen im Mittel mit der Linearnote 4,87 in der Beckenneigung beschrieben, bekäme dieser einen relativen Zuchtwert für Be- ckenneigung von genau 100. Am Beispiel BATCH P finden wir einen re- lativen Zuchtwert für Beckenneigung von 90. Wie ist nun der Wert von 90 zu inter- pretieren? Um das rauszufinden, muss man wissen, was eine Standardabweichung (12 Zuchtwertpunkte) übertragen auf das Li- nearsystem (1–9) bedeutet. Bei dem Merk- mal Beckenneigung sind dies 1,33 Punkte. Bezogen auf unser Beispiel bedeutet der Zuchtwert 90 für Beckenneigung also eine knappe Standardabweichung Richtung an- steigend. Das heißt, dass die Töchter von Batch P im Mittel eine Linearnote von etwa 4 bekommen würden. Die Beckenneigung wäre gegenüber der Population zwar um eine Note niedriger, aber immer noch abfal- lend (s. Grafik 1). Würde ein Bulle im Mittel ansteigende Be- cken vererben, müsste der Zuchtwert bei mindestens 75 liegen. Zwar ist ein Zucht- wert von 90, wie im Beispiel, nicht ganz optimal, sollte aber kein K.O.-Kriterium bei der Auswahl der Bullen oder bei der Selek- tion von Mutterkälbern sein. Denn verschie- dene Analysen zeigen, dass die Beckennei- gung, entgegen der weitläufigen Meinung, nicht negativ zur Fruchtbarkeit steht. Auch zur Nutzungsdauer hat die Beckenneigung keine Beziehung. DAS LEID VIELER MELKER – STRICHLÄNGE UND STRICHPLATZIERUNG Ein weiteres, viel diskutiertes Merkmal ist die Strichlänge. Hier liegt die Populations- mitte bei 4,90 cm, womit das Optimum bei BATCH P 682291 (Battlecry x Rocky) Merkmalskomplex Körper A Größe: Die Größe wird in Zentimetern in der Mitte des Kreuzbeins gemessen. (Angabe in cm) Vorbeur- teilung Körpertiefe: Die Körpertiefe wird als Flan- kentiefe in Höhe der letzten Rippe beschrieben. 1 = sehr aufgezogen 5 = mittlere Tiefe 9 = sehr viel Tiefe Beckenbreite: Als Beckenbreite wird der Abstand der Mittelpunkte der Sitzbeinhöcker beschrieben. 1 = sehr schmal 5 = mittel 9 = sehr breit Beckenneigung: Es wird die Neigung der gedachten Linie zwischen Sitzbein und Hüft- höcker beschrieben. Ein ebenes Becken erhält die Note 3. Die Note 5 wird für ein Becken vergeben, das zwei Finger (3-4 cm) breit geneigt ist. 1 = stark ansteigend 5 = leicht geneigt 9 = stark abfallend 1 = rank, hochgestellt 5 = mittere Tiefe 9 = sehr viel Tiefe Stärke: Als Stärke ist die Breite der Vorderhand definiert. Es wird d r Abs and zwischen den Vorderbeinen beschrieben. 1 = sehr schwach 5 = mitt l 9 = sehr stark 1 = sehr schwach 5 = mittel 9 = sehr stark 1 = stark ansteigend 5 = leicht geneigt 9 = stark abfallend 1 = sehr schmal 5 = mittel 9 = sehr breit Übertrag: Grafik 1: Mittelwert der Population: 4,87, Standardabweichung: 1,35

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