RUW Report 99

56 RUW Report — 05/2020 BESAMUNG Das Geheimnis hoher Lebensleistungen Seit Jahren weisen die Landkreise Minden-Lübbecke und Herford/Bielefeld hohe Milchleistungen gepaart mit einer hohen Lebensleistung auf. Was machen die Milchviehhalter in dieser Region anders oder besser als ihre Berufskolle­ gen? Dieser Frage ging Jost Hanemann in seiner Bachelorarbeit nach. INTERVIEW Herr Hanemann, wie sind Sie auf dieses spannende Thema für Ihre Bachelorarbeit gekommen? Die Milchviehhaltung steht wie jeder andere Bereich der landwirtschaftlichen Nahrungsmittelerzeugung immer wieder in der Kritik. In der Milcherzeugung ist es insbe- sondere die einseitige Zucht auf Milchleistung. Parameter wie die Lebensleistung und Nutzungsdauer rücken seit einigen Jahren verstärkt in den Mittelpunkt. Auf Milch- viehbetrieben werden zahlreiche unterschiedliche Mög- lichkeiten angewandt, um die Selektion und Anpaarung der Tiere vorzunehmen. Um den Zusammenhang dieser Thematik zu hinterfragen, habe ich eine Bachelorarbeit als Entscheidungshilfe zur Selektions- und Anpaarungs- strategie in Milchviehbetrieben initialisiert. Der Einfluss dieser Strategien auf die beschriebenen Parameter sollte ohne Berücksichtigung anderer Faktoren wie Fütterung oder Haltungsbedingungen untersucht werden. Eine gute Leistungsentwicklung im Einklang mit langer Nutzungsdauer ist auch die Zuchtphilosophie der RUW. Können Sie diesbezüglich auch Erkenntnisse aus Ihrer Forschungsarbeit darlegen? Die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte zeigen in ganz Deutschland einen starken Strukturwandel in der Milchviehhaltung an. Die Zahl der milcherzeugenden Be- triebe ist stark gesunken und die Anzahl der Kühe pro verbliebenen Betrieb ist teilweise stark gestiegen. Neben diesem Trend kam es in den letzten Jahrzehnten, aber auch gerade den letzten etwa 20 Jahren zu einer starken Leistungssteigerung der Milchkühe. In Nordrhein-Westfa- len ist laut des Landeskontrollverbandes die Milchleistung von 2010 mit 8 526 kg Milch pro Kuh und Jahr auf über 9 000 kg Milch pro Kuh und Jahr in 2017 angestiegen. Heutzutage sind Milchviehbetriebe mit Milchleistungen von 11 000-12 000 kg lange keine Seltenheit mehr, doch wo soll dieser Trend noch hingehen? Die Leistung kann nicht unendlich gesteigert werden, ohne auf Kosten der Gesundheit der Tiere oder ähnlichen Lebensmerkmalen zu beruhen. Die neugesteckten Ziele der modernen nach- haltigen Milchviehhaltung lauten Steigerung der Lebens- leistung sowie der Lebenstagsleistung. Um dieses Ziel zu erreichen, muss eine Steigerung der Nutzungsdauer der Tiere erfolgen und die Tiere müssen älter werden. Des Weiteren sind Milchleistung und Nutzungsdauer nicht wie lange angenommen negativ korreliert, denn die Nutzungsdauer steigt mit einem höheren Leistungs- niveau der Milchviehherde an (vgl. Abb. 1). Somit ist die Verringerung der Milchleistung kein sinnvolles Instrument zur Steigerung der Nutzungsdauer. + Zur Person: Jost Hanemann wohnt in Porta Westfalica und studiert an der Fachhochschule Südwestfalen Landwirtschaft. Nach seinem erfolgreichen Bachelorabschluss folgt das Masterstudium. 3,3 3,2 3,1 3,0 2,9 2,8 2,7 2,6 7.000 7.500 8.000 8.500 9.000 9.500 10.000 10.500 11.000 <11.000 Leistungsklasse Nutzungsdauer (Jahre) Abbildung 1

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